Bisher konnten Betreuer:innen am Schreibstil oder Denkweg der Studierenden Rückschlüsse auf deren Verständnis ziehen. Wenn KI-Tools wie ChatGPT beim Schreiben helfen, bemerken betreuende Probleme oft erst bei der Abgabe – und dann ist es zu spät, um noch gegenzusteuern. Generative KI erfordert ein Umdenken in der Betreuung von Abschlussarbeiten: Lehrende begleiten nun kontinuierlich den Schreibprozess und unterstützen Studierende aktiv dabei, KI als Sparringspartner für Ideenentwicklung und sprachliches Feedback sinnvoll einzusetzen.
Konkret bedeutet dies z.B. regelmäßige Treffen in kleinen Betreuungsgruppen, in denen Studierende über ihren Fortschritt berichten, Probleme diskutieren und sich Feedback holen. Solche begleiteten Kolloquien während der Bearbeitungszeit fördern die Reflexion und machen den Arbeitsprozess für Betreuende transparenter. Wichtig ist dabei, eine offene Atmosphäre zu schaffen.
Dieser Beitrag basiert auf den Erkenntnissen eins Workshops an der FH Aachen unter der Leitung von Patricia Wohner. Dort haben Lehrende und Mitglieder von Prüfungsausschüssen konkrete Lösungsansätze entwickelt, um Abschlussarbeiten an die Herausforderungen generativer KI anzupassen.
Zu Part 1: Eigenständigkeit vs. KI – Wie erkennen wir studentische Leistung?
Formatives Assessment
Ein Ansatzpunkt ist das Konzept des formativen Assessments. Im Gegensatz zur klassischen Bewertung, die nur das fertige Produkt beurteilt, umfasst ein formatives Assessment mehrere Feedback-Schleifen. Diese Methode gibt Studierenden kontinuierlich Rückmeldung während des gesamten Schreibprozesses, wodurch sie die Chance erhalten, ihre Arbeit laufend zu verbessern (und reflektierter mit den eingesetzten KI-Tools umzugehen). Beim formativen Ansatz durchlaufen Studierende mehrere Feedback-Schleifen – von der Entwurfsabgabe über Rückmeldungen und Überarbeitungen bis zur finalen Freigabe.

Dieser iterative Prozess wird so oft wiederholt, bis die Anforderungen erfüllt sind. Er stellt sicher, dass Studierende nicht erst am Ende, sondern bereits während der Erstellung ihrer Arbeit intensiven Austausch und konstruktive Unterstützung erfahren.
Kontinuierliches Coachen
Außerdem können Studierende ehrlich über KI-Nutzung oder Schwierigkeiten sprechen, ohne gleich negative Konsequenzen für die Note zu fürchten. Allerdings bedeutet diese engere Betreuung auch einen Mehraufwand an Zeit und didaktischer Planung. Viele stellen sich die Frage, wie sie angesichts voller Lehrdeputate die zusätzliche Begleitung stemmen können. Hier sind kreative Ansätze gefragt, um Feedbackprozesse effizient zu gestalten – zum Beispiel durch Peer-Reviews unter Studierenden oder den Einsatz von KI-basierten Tutorien/Feedback-Chatbots, um die zeitaufwändigere Betreuung effizienter zu gestalten. Kurz: Die Betreuungsaufgabe wandelt sich vom reinen Abnehmen einer Arbeit hin zum kontinuierlichen Coachen während der Entstehung.
Peer-Review
Peer-Reviews während der Bearbeitungsphase ermöglichen es Studierenden, sich gegenseitig kritisches Feedback zu geben. Diese Form des Austauschs schärft ihr Verständnis für wissenschaftliche Qualitätskriterien und fördert eigenverantwortliches Lernen. In Peer-Review-Sessions begutachten Studierende die Arbeiten ihrer Kommilitoninnen und Kommilitonen anhand klar definierter Kriterien, die zuvor gemeinsam mit der Betreuungsperson erarbeitet wurden. Dabei lernen sie, konstruktive und konkrete Rückmeldungen zu geben, was ihre analytischen Fähigkeiten und ihr Verständnis von Qualitätsmaßstäben vertieft.
Strukturen vorgeben
Um Peer-Reviews effektiv zu gestalten, sollten Lehrende darauf achten, klare Leitlinien und Kriterien für das Feedback vorzugeben. Sinnvoll sind dabei beispielsweise Fragen wie: Welche Argumente sind gut nachvollziehbar? Wo bestehen Unklarheiten? Sind die verwendeten Quellen überzeugend und ausreichend? Dadurch werden die Reviews zielgerichtet und für alle Beteiligten hilfreich.

Strukturierte Betreuungsgruppen
Strukturierte Betreuungsgruppen sind ein weiterer Ansatz, um Studierende bei der Bearbeitung ihrer Abschlussarbeiten effektiv zu begleiten. In diesem Format treffen sich kleinere Gruppen von Studierenden regelmäßig mit ihrer Betreuungsperson, um aktuelle Fortschritte, Herausforderungen und insbesondere den Einsatz von KI-Tools offen zu diskutieren.
Um diese Betreuungsgruppen erfolgreich umzusetzen, sind folgende konkrete Umsetzungstipps hilfreich:
Regelmäßige Treffen einplanen
Legen Sie zu Beginn der Arbeitsphase feste, regelmäßige Termine fest. So wissen alle Beteiligten frühzeitig, wann Austausch und Feedback stattfinden.
Klare Struktur etablieren
Jedes Treffen sollte mit einer kurzen Statusrunde beginnen, bei der Studierende ihren Fortschritt und eventuelle Schwierigkeiten schildern. Anschließend folgt die gemeinsame Diskussion und Lösungsfindung.
Moderation sicherstellen
Die Betreuungsperson übernimmt eine moderierende Rolle, stellt gezielte Fragen und sorgt dafür, dass alle Studierenden zu Wort kommen und konstruktive Beiträge liefern.
KI-Einsatz thematisieren
Thematisieren Sie bewusst die Nutzung von KI-Tools. Ermutigen Sie Studierende dazu, offen zu berichten, wie sie KI einsetzen, welche Erfahrungen sie dabei machen und welche Herausforderungen auftreten.
Vertrauen schaffen
Fördern Sie eine Atmosphäre, in der Fehler und Unsicherheiten angstfrei angesprochen werden können. Betonen Sie, dass diese Treffen einen geschützten Raum für konstruktives Feedback darstellen.
Ergebnisse dokumentieren
Halten Sie wichtige Erkenntnisse und vereinbarte Maßnahmen fest. Das ermöglicht es, Fortschritte nachzuvollziehen und gewährleistet, dass offene Punkte systematisch bearbeitet werden.
Umgang mit externen Abschlussarbeiten
Für Studierende, die externe Abschlussarbeiten durchführen und nicht vor Ort sind, können regelmäßige virtuelle Treffen per Videokonferenz organisiert werden. Geben Sie klare Regeln und kollaborative Tools und Plattformen vor, um die Kommunikation und Dokumentation transparent zu gestalten.

Die iterative Betreuung ermöglicht es, aus jeder Rückmeldung zu lernen und die Arbeit Schritt für Schritt zu verbessern. So können auch der KI-Einsatz und etwaige Schwierigkeiten offen besprochen werden, ohne sofort negative Konsequenzen für die Note befürchten zu müssen.
Diese intensivere Betreuung erhöht zwar zunächst den Aufwand für Lehrende, doch langfristig profitieren sowohl Studierende als auch Betreuende von besseren Ergebnissen und klareren Lernprozessen. Sie fördert eine bewusste Reflexion und stärkt die wissenschaftliche Kompetenz der Studierenden.
Text und Grafiken sind (teilweise) KI-generiert.

Christoph Horst
> Koordination Digitalisierungsoffensive Lehren & Lernen der FH Aachen
> Fachlehrender im Fachbereich Chemie und Biotechnologie