Aktueller Erfahrungsbericht zu Flipped Classroom

Kann Flipped Classroom den Lernerfolg verbessern? In einer aktuellen, grĂ¶ĂŸeren Praxisstudie zeigen Antworten der Studierenden und Interviews mit Lehrenden offenbar deutlich: Der Aufwand lohnt sich.


Flipped Classroom (FC) als Erfolgskonzept fĂŒr das „New Normal“ in der Hochschullehre?

Im Projekt „INKULT“ der Friedrich-Alexander-UniversitĂ€t (FAU) Erlangen-NĂŒrnberg wurden 15 Flipped Classroom Projekte konzipiert, aufgebaut und erprobt. 

Bei der Entwicklung und DurchfĂŒhrung konnten Lehrende zentrale UnterstĂŒtzungsangebote nutzen. Projektziel war die Untersuchung der Wirksamkeit und eine nachhaltige Dokumentation („Blaupausen“) der Erfahrungen.

Ergebnisse

Von den 15 Projekten wurden 9 evaluiert. Befragt wurden dabei 167 Studierende und die zustÀndigen Lehrenden.

Evaluation: Der aktuelle Ergebnisbericht ist Teil des Springer-Sammelbandes „Digital gestĂŒtzte Lehre Innovative Konzepte zur digitalen und analogen Lehre an Hochschulen“(2025), der Band ist als Open Access Buch öffentlich zugĂ€nglich.

Blaupausen: Eine Video-Vorstellung aller Lehrprojekte ist auf der Webseite „INKULT New Normal“ der FAU zugĂ€nglich.

Antworten der Studierenden

  • Zwei Drittel der Befragten zeigten sich mit dem FC-Konzept zufrieden;
    88 % wĂŒrden es anderen empfehlen.
  • Zwei Drittel schĂ€tzten ihren Lernerfolg positiv ein: durch mehr Übung, kontinuierliches Lernen und Übernahme von Verantwortung.
  • Ein Viertel sah keinen Unterschied.
  • Kritikpunkte waren vor allem der hohe Zeitaufwand, unklare Anforderungen, geringe Interaktion und zu wenige PrĂ€senzsitzungen.
  • FĂŒnf Prozent empfanden den erhöhten Workload als demotivierend.

Zitate von Studierenden

  • „Ich habe mich kontinuierlich ĂŒber das gesamte Semester hinweg mit den Lerninhalten beschĂ€ftigt und fĂŒhle mich fĂŒr die Klausur gut vorbereitet.“
  • „Besseres Merken der Inhalte durch Wiederholung oder Vertiefung in PrĂ€senzveranstaltung.“
  • „StĂ€rkere persönliche Auseinandersetzung mit den Themen.“
  • „Man wird quasi gezwungen, den Stoff zu lernen, weil man durch die Fragen gut getestet wird.“

Herausforderungen fĂŒr Lehrende und Learnings

Neben dem Umgang mit Ressourcen fĂŒr den Aufbau sind insbesondere die neue Konzeption der Lehrveranstaltung und der damit verbundenen neuen Rolle der Lehrperson (hohe InteraktivitĂ€t) zentrale Herausforderungen.

Zitate zu den Learnings:

  • „Zeit fĂŒr die Entwicklung und Nachbereitung von Seminaren einplanen.“
  •  â€žIch habe jetzt mehr Zeit mit den Studierenden spannende Anwendungen zu diskutieren.“
  •  â€žViele Studierende wollen gar nicht so sehr aktiv sein und Verantwortung fĂŒr ihr eigenes Lernen ĂŒbernehmen.“
  • „Teilnehmende, die wöchentlich die bereitgestellten Lernsequenzen bearbeitet haben, haben die Klausur mit ‚sehr gut‘ bis ‚gut‘ bestanden.“
  •  â€žWesentlich mehr Zeit zur Vertiefung und Anwendung des erlernten Methodenwissens als gewöhnlich.“

Shortlist Gelingensbedingungen

Ein Ergebnis der FAU-Projekte sind Erfahrungswerte fĂŒr Gelingensbedingungen – im folgenden eine Zusammenfassung:

Voraussetzungen

  • Es sollte sich um ein Pflichtmodul mit bis zu 100 Studierenden handeln.
  • Die Konzeption und der Aufbau der Selbstlernphase benötigen ausreichend Vorlaufzeit.
  • VerstĂ€ndnis fĂŒr Änderung der Rollen: Studierende lernen selbststĂ€ndig, Lehrende moderieren den Prozess.
  • LernaktivitĂ€ten sollten nach dem Prinzip des Constructive Alignment gestaltet werden.

„Weiche“ fĂŒr Selbstlern- und PrĂ€senzphase

Bei der didaktischen Planung sollten folgende Fragen bedacht werden:

  • Welche Inhalte eignen sich fĂŒr die Selbstlernphase?
  • Wo wird UnterstĂŒtzungsbedarf erwartet?
  • Wo kann Peer-Learning sinnvoll integriert werden?
  • Wie erfolgt Feedback?
  • Welche Kompetenzen sollen entwickelt oder ĂŒberprĂŒft werden – und in welcher Phase?

Aufbau und Bereitstellung der Lernmaterialien (ILIAS-Kursdesign)

Ziel des Kursdesigns ist die Förderung kontinuierlichen Lernens – Beispiele:

  • Kursdesign mit Lernzielorientierung, Lernplan und/oder mit aktiver Lernfortschrittmessung, Vorbedingungen und strukturierenden Elementen (z.B. Sitzungen oder Lernsequenzen).
  • AktivitĂ€ten zur eigenen LernstandsprĂŒfung (Quizzes, Selbsttests) 
  • Videos mit interaktiven Elemente anreichern oder mit Selbsttest verbinden (Videos ohne Interaktion bieten keinen Mehrwert)

Aktivierende Methoden in der PrÀsenzphase

Ziele in der PrÀsenz sind:

  • Thematisierung von Lernergebnissen und Kompetenzen
  • KlĂ€rung von VerstĂ€ndnisproblemen
  • Feedback durch gezielte Aufgabenstellungen

Beispiele aktivierender Methoden:

Erfahrungswerte und UnterstĂŒtzung an der FH Aachen

  • Bereits mit der EinfĂŒhrung von E-Learning im Jahr 2000 wurde an der FH Aachen das Modell einer interaktiven Selbstlernphase in Kombination mit aktivierender PrĂ€senzphase angedacht.
  • Im Projekt INGMEDIA (2003) nutzten Studierende erstmals die Plattform ILIAS, um sich auf Praktika vorzubereiten.
  • Zwischen 2006 und 2011 wurden auf Wunsch der Studierenden mit den StudiengebĂŒhren Aufzeichnungssysteme fĂŒr HörsĂ€le finanziert – bis heute werden Aufzeichnungen von Studierenden vor allem zur PrĂŒfungsvorbereitung geschĂ€tzt.
  • Seit 2011 entstanden im Projekt OMB+ zahlreiche Lehrvideos fĂŒr die Studieneingangsphase, um heterogene Vorkenntnisse auszugleichen.
  • Durch die Corona-Pandemie etablierte sich der Einsatz von Videokonferenzen und weniger PrĂ€senz als neues Normal.
  • Die EinfĂŒhrung von KI fordert – Ă€hnlich wie einst das Internet – eine Neuausrichtung der Hochschullehre. Die Beziehung zwischen Lehrenden und Lernenden erhĂ€lt wieder eine neue Bedeutung.

UnterstĂŒtzung durch das ZHQ

Das E-Team berĂ€t Lehrende bei der Entwicklung von Medien und ILIAS-Kursdesign – Anfrage im Hilfecenter ĂŒber: [email protected].

Ansprechperson fĂŒr hochschuldidaktische Methoden ist Christiane Katz: [email protected]

Teilen Sie Ihre Erfahrungen

Lehrende, die ihre Erfahrungen zu Lehr-/Lernszenarien wie Flipped Classroom teilen möchten, sind herzlich eingeladen hier im Blog einem eigenen Beitrag zu veröffentlichen – Teilen wĂ€re auch in Form eines Interviews möglich. Bei Interesse schreiben Sie an: [email protected]

Neue BeitrÀge nicht verpassen

Wir versenden wöchentlich News aus dem Blog an die Abonnement-Liste. Wenn Sie möchten können Sie sich in diese Liste eintragen. Das Abo kann jederzeit beendet werden.

Wir senden keinen Spam! Erfahre mehr in unserer DatenschutzerklÀrung.

Winfried Kock
Team E-Learning |  | [email protected] |  BeitrĂ€ge

30 Jahre Bildungsarbeit und Medienentwicklung

Schreibe einen Kommentar