Veränderte Rollen in der digital gestützten Hochschullehre

Die in den letzten Jahren stark zugenommene Digitalisierung des Hochschullebens führte zu vielfachen Veränderungen in sämtlichen Bereichen, die Lehre, Lernen und entsprechende Kommunikationsprozesse betreffen. Diese gehen einher mit neuen Anforderungen an die beteiligten Akteur:innen, die sich entsprechend Kompetenzen aneignen müssen, um sich situationsgerecht zu verhalten. Dafür ist es notwendig, dass sich die Akteur:innen bewusst werden, in welchen Rollen sie jeweils agieren und an welchen Erwartungen sie ihr Verhalten ausrichten. Ob und inwiefern sich die vertrauten Rollenbilder im Lauf der Digitalisierung verändert haben, ist nun eine Frage, deren Beantwortung in diesem Kontext als wesentlich erscheint.

Mit eben dieser Fragestellung befassen sich derzeit Julia Henschler, Jana Riedel und Anne Vogel im Rahmen des Verbundprojektes „Digitalisierung der Hochschulbildung in Sachsen“. Es handelt sich dabei um eine Kooperation von Hochschuldidaktischem Zentrum Sachsen, Arbeitskreis E-Learning der sächsischen Landesrektorenkonferenz und den staatlichen sächsischen Hochschulen. Es wird seit 2019 durch das Sächsische Ministerium für Wissenschaft und Kunst gefördert. Ziel ist die Unterstützung von Lehrenden und Akteur:innen in Kontexten der Studienorganisation bei der Umsetzung von Initiativen und Konzepten zur Digitalisierung der Lehre. Hierzu wurden drei Programmlinien etabliert: das Weiterbildungsprogramm mit Werkstattcharakter „Digital Workspaces“, das Anreizsystem für Lehrende „Digital Fellowships“ und das Multiplikatorenprogramm der „Digital Change Agents“. Julia Henschler, Jana Riedel und Anne Vogel teilen sich aktuell die Projektkoordination und verantworten jeweils eine der drei Programmlinien. Im Kontext des Projektes beschäftigt sie dabei auch das Thema Rollen und wie Lehrende diese wahrnehmen. Nachfolgend erläutern sie ihre Perspektive dazu.

Wie würden Sie den Begriff „Rolle“ im Hochschulkontext definieren?

„Grundsätzlich werden Rollen als Erwartungsbilder, die andere Menschen von einer Person haben, verstanden. Im Hochschulkontext kann man hierfür auf unterschiedlichen Ebenen ansetzen. So kann man beispielsweise die Rolle eines Lehrenden und die Rolle eines Forschenden unterscheiden. Wir gehen in unserem Verständnis aber noch eine Ebene tiefer und schauen uns unterschiedliche Rollen, also Erwartungsbilder und Aufgaben einer Lehrperson an. Im Kontext des „Shifts from Teaching to Learning“ wird hierbei zum Beispiel häufig von einem Rollenwechsel der Wissensvermittlung hin zur Lernbegleitung gesprochen. Das wären für uns zwei unterschiedliche Rollen, die mit unterschiedlichen Aufgaben und Kompetenzen der Lehrperson im Zusammenhang stehen. Wir glauben, dass durch die Digitalisierung der Lehre noch viele weitere Aufgabenfelder oder eben Rollen auf eine Lehrperson zukommen, die in dieser Form bisher vielleicht noch nicht so relevant waren. Beispielsweise die Produktion von ansprechenden und unterhaltsamen Lehrclips, in denen die Lehrperson sich unter Umständen mit etablierten Youtuber:innen messen muss. Hier möchten wir gern ein bisschen näher drauf schauen und erfahren, ob zu den bspw. von Geri Thomann in einem Rollenstrauß zusammengefassten Rollen und Tätigkeitsfeldern noch weitere hinzukommen.“

Wo liegt die Grenze zwischen der Ausführung einer neuen Aufgabe und der Übernahme einer neuen Rolle?

„Wir machen dabei gar keinen so großen Unterschied. Geht es uns doch zunächst darum, mit den Lehrenden über ihr Selbstverständnis und die von ihnen wahrgenommenen Erwartungen und Aufgaben ins Gespräch zu kommen und mit ihnen darüber zu reflektieren. Vielleicht liegt der Übergang dann genau in diesem Reflexionsprozess, also sich bei der Ausübung einer Tätigkeit bewusst zu machen, aufgrund welcher Erwartungen man sich in der jeweiligen Situation so verhält, wie man es tut. Hierin sehen wir unsere Aufgabe als Hochschul- und Mediendidaktikerinnen, genau diesen Reflexionsprozess zu unterstützen, um sich der eigenen und fremden Erwartungen an die jeweiligen Aktivitäten bewusst zu werden. Wir denken, dass wir so auch eine Wertschätzung der Vielzahl an Tätigkeiten, die eine Lehrperson in Zeiten der Digitalisierung meistert, unterstützen können.“

Welche Veränderungen vermuten Sie in der Rolle der Lehrenden, die durch die zunehmende Digitalisierung in der Hochschullehre entstanden sind?

„Neben den schon genannten Beispielen sehen wir vor allem eine größere Vielzahl an Erwartungen und Aufgaben auf die Lehrpersonen zukommen. Das fängt bei der Erstellung hochwertiger und möglichst barrierefreier sowie rechtlich einwandfreier Lernmaterialien an, reicht über die Moderation und Betreuung von asynchronen Lerngruppen bis hin zur Anwendung und Beurteilung immer neuer Trends wie Learning Analytics, Künstliche Intelligenz oder erweiterte Realitäten (AR/VR) und deren didaktischer Einbettung. Interessant ist für uns auch, ob die Digitalisierung dazu führt, dass Lehre weniger ein Ein-Personen-Betrieb ist, sondern vielmehr Kooperationen unterschiedlicher Erfahrungs- und Expertiseträger:innen benötigt und hier neue Formen von Arbeitsteilung und Zusammenarbeit entstehen. Daraus folgt dann auch die Frage, ob auch für das lehrunterstützende Personal ggf. wieder neue Rollen oder Tätigkeitsfelder erwachsen.“

Welchen Mehrwert könnten die gewonnenen Erkenntnisse im Hinblick auf die Hochschuldidaktik bringen?

„Wir sehen den Mehrwert vor allem in der Unterstützung von Reflexion. In einem Sichtbar- und Bewusstmachen der vielfältigen Aufgabenfelder in der digital gestützten Lehre. Somit möchten wir zum einen, dass die Hochschullehrenden selbst schauen, welche Rollen sie annehmen und wie sie diese ausfüllen möchten und zum anderen möchten wir auch der Hochschuldidaktik einen Blick auf die Wahrnehmung der Lehrenden eröffnen, also: Wo sehen diese ihre Schwerpunkte und wie gehen sie mit den an sie gestellten Erwartungen um. Daraus lassen sich dann wiederum auch Unterstützungsbedarfe ableiten, die man mit organisatorischen Maßnahmen adressieren könnte.“

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Stefka Weber
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