Feedback digital

Besonderheiten und Herausforderungen von digitalen Feedbackprozessen in der Hochschullehre

„Feedback kann sehr vieles sein und beginnt bei kleinen Äußerungen oder Gesten (z.B. ein anerkennendes Nicken oder ein augenrollendes Seufzen) und kann hin bis zu umfangreichen Evaluationen reichen.“

Rückmeldungen sind ein Bestandteil der zwischenmenschlichen Kommunikation und können bewusst oder unbewusst diverse Effekte erzielen. Im didaktischen Kontext genießen sie deshalb einen besonderen Stellenwert, weil sie u. a. die Beziehung zwischen Lehrenden und Lernenden im Wesentlichen prägen.

Frau Dr. Annika Brück-Hübner befasst sich intensiv mit den Besonderheiten und Herausforderungen von Feedbackprozessen in der Hochschullehre. Im Rahmen ihres kumulativen Habilitationsprojektes an der Justus-Liebig-Universität Gießen nimmt sie dieses Phänomen unter die Lupe, mit dem Ziel, Kriterien für ein „erfolgreiches“ digitales Feedback zu erarbeiten. Im Folgenden ermöglicht sie einen ersten Einblick in ihre Studie.

Welche Arten von Feedback werden in der Präsenzhochschule im Allgemeinen praktiziert?

„Diese Frage lässt sich nicht ganz so einfach beantworten. Es hängt ganz davon ab, was genau unter „Feedback“ verstanden wird. Feedback kann sehr vieles sein und beginnt bei kleinen Äußerungen oder Gesten (z.B. ein anerkennendes Nicken oder ein augenrollendes Seufzen) und kann hin bis zu umfangreichen Evaluationen reichen.

Ein Großteil der Kommunikation an Präsenzuniversitäten findet im Analogen statt. Neben persönlichen Gesprächen vor, während oder nach Lehrveranstaltungen nehmen vor allem Sprechstunden hier einen hohen Stellenwert ein. Und diese fanden in der Zeit vor der Pandemie– ohne dass ich mich da jetzt auf statistische Daten berufen kann – erfahrungsgemäß primär in Präsenz statt.“

Welche Spezifika unterscheiden die digitale von der analogen Rückmeldung im Kontext der Hochschule?

„Feedback – in dem Verständnis wie ich es benutze – ist ein kommunikativer Prozess oder anders gesagt ein Prozess sozialen Handels. Je nach verwendetem Medium unterscheiden sich die Ausdrucksformen und Zeichen, mit denen kommuniziert wird (z.B. Sprache, Text) und auch die Formen und die Anzahl der para- und non-verbalen Gesprächsinformationen variieren in unterschiedlichen Kommunikationsumgebungen. So erschwert beispielsweise die textbasierte Kommunikation häufig die korrekte Interpretation der Botschaft, da z.B. die Tonlage, aber auch Gestik und Mimik fehlen. Das erhöht die Gefahr für Missverständnisse.

Eine reine Trennung zwischen analogem und digitalem Feedback ist deswegen nicht ausrei­chend. Es ist anzunehmen, dass es einen Unterschied macht, ob digitales Feedback beispielsweise über eine Videokonferenz, per Sprachnachricht oder per eMail gegeben wird.

Im Rahmen meiner Studie stelle ich die These auf, dass sich die analogen Feedback-Praktiken nicht eins zu eins ins Digitale transferieren lassen. Auch wenn sich zum Beispiel ein Feedbackgespräch in Präsenz auf den ersten Blick nicht ganz grundlegend von einer Videokonferenz unterscheidet, ist anzunehmen, dass es Unterschiede gibt.“

Was sollten Lehrende bei Feedbackgesprächen beachten und welche Besonderheiten wären bei der digitalen Ausführung zu berücksichtigen?

„Feedback und seine Wirkungen sind sehr komplex. Es gibt aber durchaus Faktoren, die „gutes Feedback“ fördern (siehe z.B. Henderson et. al. 2019). Sehr wichtig erscheint mir zu betonen, dass Feedback nicht als Einbahnstraße zu verstehen ist. In Anlehnung an Buhren (2005) sollte Feedback nicht nur eine (reziproke) Rückmeldung, sondern vor allem auch die Verständigung über das Lernen (Prozess, Produkt) und das Lehren sein, das sich auf Kompetenzen und Fähigkeiten bezieht und das Ziel der Optimierung des professionellen Handelns verfolgt. Im Idealfall sollte daher eine tatsächliche Kommunikation zwischen Feedbackgeber/in und Feedbacknehmer/in stattfinden, in der auch Raum dafür besteht, unterschiedliche Wahrnehmungen und Sichtweise offen zu thematisieren und zu diskutieren sowie mögliche Missverständnisse auszuräumen. Nur so kann sichergestellt werden, dass das Feedback auch wirklich verstanden und angenommen wird.

Also kurz gesagt: Feedback ist ein kommunikativer Prozess und bedarf daher der wechselseitigen Verständigung und des Austausches, sonst ist die Gefahr sehr groß, dass hierdurch keine Veränderungen angestoßen werden. Das gilt sowohl für Gespräche in Präsenz als auch für digitales Feedback. Bei letzterem ist die Problematik aber sicherlich aufgrund der reduzierten oder fehlenden para- und nonverbalen Gesprächsinformationen größer.

In meiner Studie frage ich auch gezielt nach Kriterien für „gutes“ digitales Feedback. Hier bin ich sehr gespannt auf die Ergebnisse und vor allem auch darauf, ob es hier Unterschiede zu den allgemeinen Kriterien „guten“ Feedbacks gibt.“

Welche Konsequenzen vermuten Sie für die Studierenden z. B. in ihrem Lern- und Arbeitsfortschritt durch die Veränderungen in den Feedback-Praktiken von analog zu digital? 

„Entscheidend ist aus meiner Sicht nicht unbedingt die Frage ob Feedback analog oder digital gegeben wird. Vielmehr ist anzunehmen, dass die Intensität und Art und Weise wie Feedback gegeben wird entscheidender ist, als die Kommunikationsumgebung. Hinzu kommt noch die Passung zu den Studierenden und Dozierenden. Wenn beispielsweise schüchterne Studierende digitales Feedback als angenehmer wahrnehmen und dadurch dann stärker an Feedbackgesprächen teilnehmen, als sie das in Präsenz tun würden, kann das den Lern- und Arbeitsfortschritt durchaus positiv beeinflussen. Es wäre natürlich schön, wenn hier eine Art Kategorisierung möglich wäre, für welchen Typ von Studierenden welche Form des Feedbacks am hilfreichsten ist.“

Sehen Sie für das digitale Feedback eine Zukunft an Präsenzhochschulen auch nach den Zeiten der Pandemie?

„Digitales Feedback existierte bereits vor der Pandemie. Lediglich die Selbstverständlichkeit der Nutzung digitaler Medien veränderte sich seither und auch Hemmschwellen wurden abgebaut. Ich glaube, dass es wichtig ist, nach dieser Zeit der Pandemie die Uhr nicht einfach zurück zu drehen und alle gesammelten Erfahrungen einfach wieder zu verwerfen. Es gibt sowohl Studierende als auch Dozierende, die durchaus die Vorteile digitalen Feedbacks für sich entdeckt haben. Vor allem die größere zeitliche und räumliche Flexibilität sind natürlich entscheidende Vorteile.“

Wann können wir mit konkreten Erkenntnissen zu Ihrem Projekt rechnen und wo könnte man diese einsehen?

„Die Studierendenbefragung läuft noch ca. einen Monat (Link zur Befragung). Für den Sommer ist die Durchführung der Dozierendenbefragung geplant. Nach erfolgter Auswertung werden die Ergebnisse publiziert. Interessierte können sich gerne über Twitter (@AnnikaBruebner) auf dem Laufenden halten oder mir eine eMail (Annika.Brueck-Huebner@erziehung.uni-giessen.de) schreiben.“

Buhren, C. G. (2005). Feedback – Definitionen und Differenzierungen. In C. G. Buhren (Hrsg.), Handbuch Feedback in der Schule (S. 11-30). Weinheim und Basel: Beltz.

Handerson, M., Phillips, M., Ryan, T., Bound, D., Dawson, P. Molloy, E. & Mahoney, P. (2019). Conditions that enable effective feedback. In: Higher Education Research and Development, Vol. 38, No. 7 (p. 1401-1416). DOI: https://doi.org/10.1080/07294360.2019.1657807

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Stefka Weber
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2 Kommentare

„Feedback ist ein kommunikativer Prozess.“ Das ist wichtig und ein kritische Betrachtung digitaler Feedbackprozesse insofern wirklich spannend, finde ich. Vielleicht kannst du die Ergebnisse auch hier posten, ich würde mich freuen.

Vielen Dank für das Feedback und das Interesse an den Ergebnissen. Wenn das gewünscht ist, kann ich natürlich gerne auch hier Auskunft über die Ergebnisse geben – das kann aber noch ein wenig dauern!

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