Interkulturelle Kompetenzen in Lehrveranstaltungen weiterentwickeln

Interview mit Prof. Dr. Daniel Goldbach

Wer interkulturell kompetent ist, kann aufgrund einer kulturellen Sensibilität zielorientiert und für alle Beteiligten in einer zufriedenstellenden Art und Weise kooperieren. Interkulturelle Kompetenz zählt daher zu den wichtigsten Schlüsselqualifikationen im Arbeitsleben und sollte bereits im Studium (weiter-)entwickelt werden. Dabei geht es weniger um das Wissen über alle Kulturen der Welt oder das Beherrschen von Techniken, sondern darum, Brücken zu bauen, sich gegenseitig kennenzulernen und um die Bereitschaft zur Wahrnehmung und Analyse fremdkultureller Perspektiven.

Aber wie kann das in die Lehre eingebunden werden?

Mit dieser Frage haben sich Lehrende aus dem Fachbereich 10 in einem Workshop, geleitet vom ZHQ, auseinandergesetzt. In einem Interview erklärt Studiendekan Prof. Daniel Goldbach von den Beweggründen und Erfahrungen:

Warum wurde der Workshop initiiert?

Im Fachbereich 10 sind etwa die Hälfte unserer Studierenden aus anderen Kulturkreisen und das bringt besondere Herausforderungen in Gruppenarbeiten mit sich. Daher ist es für uns ein logischer Schritt zu sagen, dass wir lernen wollen, in interkulturellen Gruppen gut zusammenzuarbeiten.

Für alle unsere Studierenden ist es außerdem ein Riesenvorteil, diese Kompetenzen zu entwickeln, da es eine gute Vorbereitung auf ein internationales Arbeitsumfeld ist. Diese Kooperationskompetenz fällt nun mal nicht vom Himmel, sondern muss eingeübt werden.

Was sind die wichtigsten Erkenntnisse, die aus dem Workshop mitgenommen wurden?

Zunächst einmal, dass es eine ganze Reihe an Möglichkeiten – oder wir Ingenieure und Ingenieurinnen sprechen ja gerne von Tools – gibt, um sich kulturell anzunähern und gegenseitig besser verstehen zu können. Das kostet selbstverständlich Zeit. Es hat mir aber auch gezeigt, dass die Zeit, die wir in die Weiterentwicklung unserer interkulturellen Kompetenzen stecken, gut investiert ist.

Eine zweite wichtige Erkenntnis war, dass es Kompetenzmodelle gibt, vom Verständnis bis hin zum aktiven Gestalten und dass wir das gut auf unser Curriculum übertragen können.

Und eine sehr schöne Erkenntnis war auch, dass wir im Fachbereich schon eine ganze Menge Kolleginnen und Kollegen haben, die das ebenfalls so sehen und sich gerne weiterentwickeln wollen und ihre Lehrveranstaltungen dementsprechend umgestalten wollen.

Was ist besonders wertvoll für Lehrende über das Thema zu lernen?

Wir Lehrende sind die wesentlichen Multiplikatoren, wir wirken auf unsere Studierenden ein, direkt oder indirekt auch als Vorbilder. Es gibt ja den schönen Spruch „Die Kinder machen ja eh nicht, was wir sagen, sondern sie kopieren, was wir tun.“ Und ein Stück dieser Wahrheit steckt auch in unseren Lehrveranstaltungen. Wenn wir zeigen, dass man sich Menschen verschiedener Kulturen annähern kann, ohne die eigene Kultur zu verleugnen, dann schaffen wir eine Grundlage für ein gutes Miteinander.

Es ist außerdem sinnvoll, an den Erfahrungen der Lehrenden anzuknüpfen. Durch die Critical-Incident-Methode* wurde dies ermöglicht. Die Methode passte sehr gut, weil die Kolleginnen und Kollegen mit ihrer Skepsis abgeholt wurden, Erfahrungen geteilt wurden und man sich auch erst einmal ein wenig Luft machen konnte. Das hat dazu geführt, dass man bereit für die Reflexion und Aufnahme neuer Positionen und Ansätze war.

*Critical Incidents sind Beschreibungen kritischer Situationen, in denen die ursprüngliche Kommunikations- oder Handlungsintention fehlschlägt. Die Interaktionssituationen werden analysiert und verschiedene Interpretationsperspektiven reflektiert, wodurch die Sensibilisierung für Einflussfaktoren auf die Interaktion erhöht wird.

Wie lassen sich Inhalte des Workshops in die Lehre integrieren? Oder besteht die Gefahr, dass das Fachliche darunter leidet?

Bei der Definition, das Fachliche zurückzuschrauben, kommt es ja immer darauf an, was man unter dem Fachlichen versteht. Wenn wir uns als Hochschule mit einem internationalen Fokus sehen, dann ist das Arbeiten in interkulturellen Gruppen eine wichtige Fachkompetenz.

Außerdem schafft man in einer Gruppe, in der die Zusammenarbeit gut läuft, auch viel mehr Platz für den Aufbau der klassischen fachlichen Kompetenzen. Insofern sehe ich den Einsatz von Ice-Breaker-Methoden als Kickoff für Gruppenarbeiten und dafür ist immer Platz. Das Kennenlern-Bingo, das wir selber auch ausgefüllt haben, könnte man ja z.B. auch um fachliche Fragen ergänzen. Wenn man das gut macht, hat man mit weniger Hürden zu kämpfen und kann sich viel besser aufs Fachliche konzentrieren.

Kennenlern-Bingo wie im Workshop genutzt (Beispielkarten)

Wie geht es weiter? Was ist das Langzeitziel der Intervention?

Wir haben gut anwendbare Methoden gefunden, die wir schon in diesem oder im nächsten Semester ausprobieren werden, um herauszufinden, was gut passt und was vielleicht auch nicht. Wir werden unsere Planungsansätze und die gemachten Erfahrungen in weiteren Workshops teilen. Herauszufinden, was uns und unseren Studierenden hilft, ist eine Aufgabe, die wir gut nur gemeinschaftlich lösen können und für die wir Zeit benötigen, denn auch für uns ist da Vieles Neuland, was wir erst erkunden müssen. Auch die Frage „Was ist eigentlich unser kultureller Kern?“ ist wichtig zu beantworten. Und einen gemeinsamen Weg zu finden, wie wir zunächst in den Labormodulen mit interkulturell bedingten Konflikten oder mit Minderheiten umgehen. Daraus ergibt sich hoffentlich eine Fachbereichskultur, in der sich alle Beteiligten wohlfühlen und gerne aktiv beteiligen.

Der Workshop zur Entwicklung interkultureller Kooperationskompetenzen wird vom ZHQ 2023 auf Nachfrage auch für weitere Interessierte an der FH Aachen angeboten. Schreiben Sie uns gerne an: henssen(at)fh-aachen.de und gerards(at)fh-aachen.de

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Laura Gerards
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