Was zeichnet eigentlich professionelle Hochschullehre aus? Das Video âTeaching Teaching Understanding Understandingâ fasst es in 19 Minuten zusammen. Das Wissen nicht einfach vom Sender zum EmpfĂ€nger transferiert werden kann, sondern in einem kognitiven Prozess konstruiert wird, sollte als Basis sĂ€mtlichen möglichen Lehr- und Lernszenarien zugrunde gelegt werden. Im Video wird dieses Erfordernis an einem simplen Beispiel eindrucksvoll verdeutlicht. Unser Gehirn kann meisterlich VerknĂŒpfungen zu Alltagserfahrungen und zuvor erlernten Sachverhalten herstellen und damit Wissen daran verankern und konstruieren. Wir alle kennen den Begriff der âEselsbrĂŒckeâ, der ein wenig negativ konnotiert ist, aber genau auf diesem Prinzip der Assoziation mit etwas Bekanntem und GelĂ€ufigem basiert. Wissenserwerb gelingt nicht allein durch Zuhören, sondern durch intensive AktivitĂ€ten der Lernenden, die dem naturgemÀà eher trĂ€gen Gehirn âBeine machenâ. Doch leider ist bei nĂ€herem Hinsehen die Didaktik des âNĂŒrnberger Trichtersâ verfĂŒhrerisch und daher vorherrschend. Wir wollen mit groĂem Engagement Studierenden etwas âeintrichternâ.
Was macht nun professionelle Hochschullehre aus? Sie stellt die Lernenden und ihre beobachteten LernaktivitĂ€ten in den Mittelpunkt und nicht primĂ€r die Optimierung der Lehrveranstaltung als âgelungene Sendungâ. Sicher ist es ein toller und lohnenswerter Schritt die eigene Lehrveranstaltung strukturiert aufzubauen, mit entsprechendem Lernmaterialien zu ergĂ€nzen, schöne Graphiken und Visualisierungen zu erstellen usw. All das ist von groĂem Wert. Und dennoch wird all dies bei einem groĂen Teil der Studierenden nicht verfangen, weil sie sich nicht mit den tollen Materialien beschĂ€ftigen, sondern eher in einer Konsumentenhaltung verharren. Es profitieren hingegen diejenigen Studierenden, die auch mit einer âschlechterenâ Lehre zurechtgekommen wĂ€ren. So sind viele Lehrende frustriert angesichts der MĂŒhe, die sie investieren, um ihre Materialien zu optimieren. Und manch eine oder einer gibt es an dieser Stelle auf âStudierunfĂ€higeâ zum âJagen zu tragenâ. Aber nun wird es interessant: Haben wir nicht in unserem Leben vor der Hochschullehre den effektiven Ressourceneinsatz erlernt, ist uns nicht das Pareto Prinzip gelĂ€ufig? Springt nicht das gute Pferd stets nur so hoch wie es muss? Wieso verurteilen wir dann Studierende, die dieses Prinzip leben? Es ist eine erfolgreiche Strategie von Studierenden sich anhand von Klausuraufgaben auf PrĂŒfungen vorzubereiten. Nachhaltiger Lernerfolg ist das nicht zwingend.
Was bedeutet nun also ProfessionalitĂ€t? Es ist zunĂ€chst eine Frage der Haltung. Es erfordert eine gewisse Reife, Studierende nicht aufgrund des situativ optimierten Lernverhaltens zu verurteilen, sondern dies zu akzeptieren und im zweiten Schritt den Erfolg der eigenen Lehre daran zu messen, inwieweit gerade diese Gruppe ĂŒber Aktivierung zum Lernerfolg gebracht werden kann. Es ist wohlmöglich mĂŒhsam: Abgaben, Hausarbeiten, Gruppenarbeiten, Projekte und alternative, aktivierende Lehrformen sind aufwendiger als âSendungenâ. Und man benötigt Frustrationstoleranz: gut möglich, dass Studierende eine unterhaltsame Vorlesung besser bewerten, als ein anstrengendes (!) Seminar.
Ja, Studierende sind fĂŒr ihren Lernerfolg selbst verantwortlich und professionelle Hochschullehre ist dadurch ausgezeichnet, dass sie es nicht dabei belĂ€sst, sondern Mitverantwortung fĂŒr den Lernprozess ĂŒbernimmt.
Das Video kann unter folgendem Link angeschaut werden: Teaching Teaching Understanding Understanding.
Prof. Dr.-Ing. Josef Rosenkranz
Prorektor fĂŒr Studium und Lehre an der FH Aachen
2 Kommentare
Obwohl der Film „Teaching Teaching Understanding Understanding“ von 2006 ist hat dieser nicht an AktualitĂ€t verloren!
Hoffentlich wird dergleichen von vielen Hochschullehrenden und Studierenden aufgenommen!
Sehr guter Text und Film. Beide Seiten (Hochschullehrende und Studierende) der „StudierendenpratnerInnenschaft“ werden hier einfĂŒhlsam und zielfĂŒhrend wahrgenommen.