Die Unterrichtsmethode „Flipped Classroom“ ist mittlerweile bei vielen Hochschullehrenden ein feststehender Begriff. Dabei stellt die/ der Lehrende:r dem Studierenden vor der stattfindenden Lehrveranstaltung Materialen zur Verfügung, mit welchem sich die Studierenden im eigenen Tempo auseinandersetzen können. In der eigentlichen Lehrveranstaltung stehen dann die Fragen der Studierenden und der Austausch untereinander im Vordergrund. Einer der wichtigsten Faktoren bei der Umsetzung von Flipped Classroom ist eine transparente und klare Kommunikation darüber, was die/ der Lehrende von den Studierenden in welcher Form erwartet. Doch was passiert, wenn es trotz guter Kommunikation zu Problemen kommt? Was ist zu tun, wenn sich Studierende nicht vorbereiten? Also: was wenn Flipped Classroom nicht fluppt?
Über diese Frage habe ich mir ehrlich gesagt noch keine Gedanken gemacht. Auch nicht als wir während der Corona-Pandemie das Modul Analysis auf Flipped Classroom umgestellt haben. Nun gut, ich bin nicht die Person, die die Vorlesung hält. Ich treffe erst in den zugehörigen Übungen auf die Studierenden. Ein Austausch mit meinen ZHQ-Kolleg:innen lenkte meine Aufmerksamkeit auf einen Beitrag im Blog „eBildungslabor“ von Nele Hirsch. Dort beschreibt sie fünf Szenarien, die sie selbst ausprobiert hat.
Ganz entgegen des Konzepts von Flipped Classroom steht Option 1, nämlich das vorher zur Verfügung gestellt Material in der Lehrveranstaltung nochmal vorzustellen. Dies ist nicht nur frustrierend für die/ den Lehrende:n sondern auch für die Studierenden, die sich auf die Lehrveranstaltung entsprechend vorbereitet haben. Option 2 beschreibt genau das gegenteilige Vorgehen. Nach dem Motto „Pech gehabt“ führt die/ der Lehrende die Lehrveranstaltung im geplanten Format durch. Dies erzeugt zwar Unmut bei den Studierende, die sich nicht vorbereitet haben, hat aber den Lerneffekt, dass genau diese Studierenden nicht noch ein zweites Mal unvorbereitet zur Lehrveranstaltung erscheinen. Option 3 erfordert etwas mehr Raumressourcen, denn hierbei teilt die/ der Lehrende die Studierende individuell in zwei Gruppen – die Vorbereiteten und die Unvorbereiteten – ein. Die Unvorbereiteten können nun in einem separaten Raum das vorher zur Verfügung gestellte Material bearbeiten und sich mit Gleichgesinnten austauschen, während die Vorbereiteten an der Lehrveranstaltung teilnehmen. Bei Option 4 wird der zeitliche Umfang der Lehrveranstaltung vergrößert/ verdoppelt. Die Studierenden, die sich nicht früher mit dem vorher zur Verfügung gestellten Material beschäftigen konnten, starten mit der Vorbereitung. Wer sich schon früher auf die Veranstaltung vorbereitet hat, stößt einfach zu einem späteren, vorher durch die/ den Lehrende:n festgelegten Zeitpunkt zur Lehrveranstaltung dazu. Der Teamgeist wird in Option 5 geweckt, denn hierbei helfen sich die Studierenden gegenseitig. In Kleingruppen bestehend aus Vorbereiteten und Unvorbereiteten diskutieren die Studierenden gemeinsam den Inhalt der Materialien, sammeln Fragen, die anschließend im Plenum besprochen werden, und unterstützen sich dabei beim Aufholen.
In meinem Fall habe ich in den Übungen ziemlich schnell gemerkt, wer sich im Vorfeld mit den Materialien beschäftigt hat und wer eben nicht. Einige gaben dies im Gespräch auch offen zu. Das richtige Zeitmanagement schien dabei eine entscheidende Rolle zu spielen. Aufgrund der zeitlichen Verschränkung zu anderen Lehrveranstaltungen findet die Vorlesung zum Modul Analysis in diesem Semester erstmal wieder im klassischen Frontalformat statt. Die Motivation Flipped Classroom einzusetzen ist jedoch unverändert. Bei der Anpassung unseres bisherigen Modells halte ich Option 5 mit wenig Aufwand für umsetzbar. Grundsätzlich fände ich es auch interessant, Option 3 und Option 4 ausprobieren – allerdings sind Räume an einer Hochschule und weitere Zeitslots oft Mangelware. Aber wie heißt es so schön: Learning by Doing!
2 Kommentare
Vielen Dank für diese Übersicht. Auch in meinem „Flipped Classroom“-Konzept stoße ich auf unterschiedliche Vorbereitungsgrade – was vermutlich in der Natur der Sache liegt, da es für die Studierenden ja auch noch andere Module zu bearbeiten gibt. Dennoch bin ich davon überzeugt, dass die Studierenden mittelfristig von dieser Art des Lernens profitieren. Und … es macht in den Präsenzphasen viel mehr Spaß ;-)
flippiger Titel, toller Beitrag – weiter so!