Eine Analyse: LDI-Handreichung zu Online-Prüfungen

Die LDI NRW hat eine Handreichung zu Online-Prüfungen an Hochschulen veröffentlicht: https://www.ldi.nrw.de/handreichung-zu-online-pruefungen-hochschulen.

In dieser beschreibt sie ausführlich welche Maßnahmen ergriffen werden müssen, damit eine Online-Prüfung klausurähnlich mit Aufsicht und datenschutzkonform durchgeführt werden kann.

Wir fassen hier die wichtigsten Punkte zusammen, vergleichen sie im Anschluss mit der Richtlinie der FH Aachen (https://www.fh-aachen.de/downloads/fh-mitteilungen/pruefungsordnungen/rahmenpruefungsordnungen), bewerten die technische Durchführbarkeit mit den aktuell an der FH Aachen bereitgestellten Mitteln und die Wirksamkeit dieser Maßnahmen.

In diesem Blogeintrag reden wir häufig von einem Videostream. Damit ist immer ein Livestream mit Bild und Ton gemeint.

Die Maßnahmen

Authentifizierung der Prüflinge

Die LDI sagt eine Authentifizierung über den Videostream durch eine aufsichtsführende Person mit Lichtbildausweis ist erforderlich.

Es sind somit keine Screenshots oder andere Aufzeichnungen zur Identifikation zugelassen und die Authentifizierung darf nicht automatisch durch Gesichtserkennungssoftware passieren.

Weiterhin muss dieser Vorgang einzeln geschehen, d.h. andere Prüflinge dürfen nicht die Möglichkeit haben diesen Videostream mitzuverfolgen.

Videoaufsicht

Eine Aufsicht mit dauerhaftem Videostream der Prüflinge ist notwendig und damit zulässig. Dabei soll der gesamte Arbeitsplatz inklusive aller Unterlagen und der Prüfling mit Gesicht und Oberkörper immer sichtbar sein.

Auch hier darf der Stream des Prüflings nicht für die anderen Prüflinge verfügbar sein, sondern nur für die aufsichtsführenden Personen.

Den Videostream aufzeichnen oder das Zimmer zeigen lassen sind nur bei Verdacht auf Täuschung zulässig, und nur, wenn das Verfahren detailliert in den Prüfungsordnungen beschrieben ist. Beides wird als ein starker Eingriff in die Privatsphäre des Studierenden gewertet.

Auch ein kurzfristiger Zugriff auf die Bildschirminhalte des Prüflings ist nur erlaubt, wenn der Verdacht auf Täuschung besteht.

Von Proctoring-Programmen ist grundsätzlich abzusehen, außer in Großprüfungsszenarien, wobei die Größe nicht genauer spezifiziert wird.

Die Software darf in diesem Fall ausschließlich aufsichtsführende Personen benachrichtigen und keine Daten speichern. Auch hier muss der Einsatz detailliert in der Prüfungsordnung beschrieben werden.

Verhindern von Täuschungsversuchen am Endgerät

Es müssen weitere Maßnahmen getroffen werden um:

  • Die Nutzung eines zweiten Bildschirms zu verhindern
  • Die Zwischenablage zu deaktivieren
  • Geöffnete Tabs zu schließen
  • Neue Tabs verhindern
  • Den Rechtsklick zu deaktivieren
  • Vollbildschirmansicht zu erzwingen
  • Drucken zu deaktivieren
  • Den Cache (Puffer-Speicher) zu löschen

Richtlinie der FH Aachen zu E-Prüfungen

Die Richtlinie zu E-Prüfungen der FH Aachen beschreibt kein Szenario für eine Durchführung einer klausurähnlichen Prüfung, sondern nur für mündlichen Prüfungen und Take Home-Prüfungen in Form einer Mini-Hausarbeit. Die letztere wird von der LDI auch kurz erwähnt und als besonders datenschonend gelobt.

Die Richtlinie der FH Aachen bzgl. mündlicher Prüfungen ist der Handreichung der LDI sehr ähnlich und fordert weiterhin ein vorheriges Hinweisen auf die Datenschutzinformationen.

Im Take Home-Format reicht es, dass die Prüflinge durch den Login in EA ILIAS oder Nutzung ihrer Mailadresse Ihre Identität bestätigen. 

Auch wird hier keine Videoaufsicht gefordert, da jegliches Online- Format ein hohes Maß an Vertrauen in die Prüflinge und an die Prüfung selbst setzen muss.

Technische Durchführbarkeit der Maßnahmen an der FH Aachen

Die FH Aachen bietet aktuell Webex (Meetings) als offizielle Videokonferenzlösung:

In Webex (Meetings) ist es grundsätzlich möglich, dass alle Prüflinge einen Videostream teilen. Es kann allerdings nicht einfach eingestellt werden, dass nur gewisse Personen in der Videokonferenz die Videostreams sehen.

Ein gangbarer Weg wäre pro Prüflinge ein Meeting oder eine Teilgruppe im Meeting zu öffnen. So ist aber nur eine stichprobenartige oder 1:1-Überwachung möglich. Die Anzahl der Teilgruppen ist auf maximal 200 beschränkt, d.h. für größere Prüfungen wären mehrere zeitgleiche Meetings nötig.

Die Identifikation wäre somit bei größeren Prüfungen mit sehr großem Vorlauf oder Personalaufwand verbunden oder muss während der laufenden Prüfung durchgeführt werden.

Damit ist unsere Einschätzung, dass Webex (Meetings) aktuell nur suboptimal für die geforderten Maßnahmen nutzbar ist.

Die FH Aachen bietet offiziell kein Tool an, dass Täuschungen am Endgerät erfasst oder verhindert, allerdings wurden bei mehreren Präsenzprüfungen in Terminalräumen mit dem Safe Exam Browser gearbeitet. Mit richtiger Einstellung erfüllt er alle geforderten Maßnahmen.

Die Nutzung des Safe Exam Browsers zu Hause stellt allerdings eine Hürde für viele Studierende dar, so dass wahrscheinlich ein Supportbedarf entstehen wird, der mit dem aktuellen Support nicht abgedeckt werden kann, da der SEB selbständig installiert und ggfs. konfiguriert werden muss. Auch ist er nicht barrierefrei und verhindert standardmäßig jegliche Apps, auch die, die Barrierefreiheit fördern (Anpassung der Farben, Vorlesefunktionen).

Somit ist eine Durchführbarkeit einer klausurähnlichen Online-Prüfung an der FH Aachen aktuell nur in wenigen Fällen sinnig.

Wirksamkeit

Videostreams und Drittapplikation werden nicht alle Arten der Täuschung verhindern, z.B. eine Durchführung durch Dritte oder Teilen der Prüfungsdaten.

Die Aufsichtführenden sehen nur einen kleinen festen Ausschnitt aus der Prüfung, somit ist dies eine eher schwache Maßnahme, die eine Scheinsicherheit bewirkt und von den Studierenden viel fordert, wie Teilen des privaten Raumes, eine stabile Internetverbindung mit erhöhter Datenrate und häufig zusätzliche Anschaffungen, z.B. eine zusätzliche Kamera oder ein zusätzlicher Bildschirm mit gesonderten Eingabegeräten, da ein Laptop alleine nicht den Anforderungen an das Kamerabild gerecht wird.

Hier müsste die Hochschule den Personen, die diesen Anforderungen nicht nachkommen können, helfen, z.B. wie von der LDI beschrieben mit geigneten Geräten und Räumlichkeiten an der Hochschule.

Ein Arbeiten an einem Zweitgerät ist zudem nicht gänzlich ausgeschlossen, z.B. wenn dessen Bildschirm nicht im Aufnahmebereich ist und der Wechsel zwischen den Geräten fast unmerklich passiert, insbesondere durch Wechsel der Blutoothverbindung durch einen Schalter am Eingabegerät.

Auch eine Durchführung durch Dritte, egal ob mit falscher Identifikation oder durch einen zweiten Bildschirm per HDMI-Splitter und zweiten Eingabegeräten, ist grundsätzlich möglich.

Somit schließt die Aufsicht per Kamera sehr wenig Täuschungsversuche aus, wenn die Person es wirklich darauf anlegt.

Warum sollte man es dennoch in Betracht ziehen?

Auch Vor-Ort-Klausuren sind nie täuschungssicher. Auch hier findet selten eine 1:1-Aufsicht statt, auch hier bleiben kleine Kameras und hautfarbende Mikros in den Ohren oder die Smartwatch unbemerkt.

Diese Maßnahmen dienen der Abschreckung, ähnlich wie der Blitzer und die sporadische Verkehrskontrolle, und auch dem Sicherheitsgefühl der Prüflinge. Sie fühlen sich nicht gezwungen zu schummeln, weil sie glauben alle anderen würden es auch tun.

Man sollte sich als Prüfende:r klarmachen, was das Ziel der Maßnahmen ist, und die Prüfung selbst täuschungssicherer gestalten, also Fragen zufällig und gemischt verteilen, wirklich Kompetenzen und nicht nur reines Wissen prüfen, nicht mehrfach identische Prüfungen durchführen und insbesondere vorher eine Lehre anbieten, die sehr gut auf die Prüfung vorbereitet.



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Jonas Gilz
Jonas Gilz
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Studierter Mathematiker (M.Sc.) Mitglied des Arbeitsbereichs ZHQ | E-Learning.

2 Kommentare

Vielen Dank, dass ihr die FH-spezifischen Ansätze direkt erläutert habt und besonders auf Schwierigkeiten der Umsetzung der LDI-Richtlinie hingewiesen wurde.

Kurzes Update: Rein theoretisch kann in Webex Meetings die Bühne für alle verpflichtend synchronisiert und somit nur das Bild der Aufsicht geteilt werden.
Allerdings muss noch ausgetestet werden, ob es Wege gibt dies zu umgehen und ob dies datenschutzrechtlich ausreichend ist.

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