Ein innovatives Lehrmodell zur Förderung interdisziplinärer Kompetenzen

Transdisziplinäre Lehre bedeutet, dass Studierende lernen, Wissen und Methoden aus verschiedenen Disziplinen zu integrieren und anzuwenden, um komplexe gesellschaftliche Probleme zu lösen. Dieser Ansatz fördert ein tiefes Verständnis für die Verflechtungen und Wechselwirkungen verschiedener Wissensbereiche über die Grenzen der Hochschule hinweg. Er bereitet die Studierenden darauf vor, über den Tellerrand ihrer eigenen Fachrichtung hinauszudenken und die Fähigkeit zu entwickeln, mit der Gesellschaft zu kommunizieren und zu interagieren.

Seit 2022 ist die FH Aachen mit einem Lehrmodul Teil des RWTH-Projekts „Leonardo“. Die Lehrveranstaltung „Nachhaltigkeit und Transformation als Herausforderung und Chance für die Gesellschaft“ im Fachbereich 10 steht exemplarisch für die innovative und interdisziplinäre Lehrmethodik, die das Projekt „Leonardo“ verfolgt.

Lehrveranstaltung „Nachhaltigkeit und Transformation“

Diese Lehrveranstaltung richtet sich an Studierende unterschiedlicher Fachrichtungen und verbindet theoretischen Input mit praxisorientierter Gruppenarbeit. Insbesondere Studierende der Ingenieurwissenschaften und der Sozialen Arbeit arbeiten hier zusammen, um sich den komplexen Herausforderungen der Nachhaltigkeit zu stellen. Die Teilnahme steht sowohl Bachelor- als auch Masterstudierenden offen, was zu einem bereichernden Austausch zwischen verschiedenen wissenschaftlichen und praktischen Perspektiven führt. An der FH Aachen ist Prof. Dr. Martin Pieper für die Lehrveranstaltung zuständig. Im FB 10 ist sie derzeit ein Angebot für BA-Studierende.

Struktur und Inhalte der Veranstaltung

Die Lehrveranstaltung setzt auf eine Mischung aus Vorträgen von lokalen Expert:innen aus unterschiedlichen Sektoren, darunter Unternehmen, NGOs und Startups, und interdisziplinären Gruppenarbeiten, die sich an den Zielen für nachhaltige Entwicklung (SDGs) der Vereinten Nationen orientieren. Jede Gruppe arbeitet an einem selbst gewählten Thema im Bereich Nachhaltigkeit und erstellt im Laufe des Semesters eine Projektarbeit. Hierbei sind die Studierenden dazu aufgefordert, die drei Säulen Ökologie, Ökonomie und Soziales bei der Bearbeitung zu berücksichtigen. Am Ende der Veranstaltung verfassen die Studierenden zudem einen Reflexionsbericht, der ihre individuellen Lernfortschritte dokumentiert.

Lehrperson steht vor einem Schreibpult und redet mit Händen erhoben. Im Hintergrund sind die 17 Nachhaltigkeitssziele via Beamer auf eine Leinwand projeziert.
Bildquelle: Martin Pieper / Julia Berg RWTH

Mehrwert für Studierende

Der transdisziplinäre Ansatz dieser Lehrveranstaltung bietet den Studierenden mehrere Vorteile:

  • Interdisziplinäre Kompetenzen: Die Studierenden lernen, über die Grenzen ihrer eigenen Disziplin hinauszudenken und die Perspektiven und Methoden anderer Fachrichtungen zu integrieren.
  • Praxisrelevanz: Durch die Arbeit an realen gesellschaftlichen Problemen entwickeln die Studierenden praxisrelevante Lösungen und können diese direkt anwenden.
  • Netzwerkbildung: Die Veranstaltung fördert die Vernetzung zwischen Studierenden verschiedener Hochschulen und Fachrichtungen sowie mit Expert:innen aus der Praxis.
  • Förderung von Eigeninitiative und Verantwortung: Die Studierenden werden ermutigt, selbstständig Themen zu wählen und Projekte zu gestalten, was ihre Fähigkeiten zur Problemlösung und ihre Verantwortungsbereitschaft stärkt.

Transdisziplinäre Lehre an der Hochschule fördert somit nicht nur das individuelle Wissen, sondern auch die Fähigkeit, in einem vernetzten und globalisierten Kontext im Einklang mit der Gesellschaft zu agieren, was für die Bewältigung zukünftiger Herausforderungen unerlässlich ist.

Bedeutung der Transformationsprozesse in der Hochschulbildung

In Bezug auf die transformative Lehre hebt auch die Erziehungswissenschaftlerin Isa Jahnke in Zusammenarbeit mit dem Hochschuldidaktiker Johannes Wildt hervor, dass transformative Lernprozesse einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung sozio-ökologischer Ziele leisten können:

„Currently, the understanding of the term transformation includes the view of socio-ecological transformation, such as the worldwide movement for sustainable development (UNESCO 2017). A widespread agreement is that such ambitious goals cannot be achieved without the participation of the actors involved or affected. Interaction of groups in socio-ecological transformation projects are needed (in education, politics, business, churches, civil society, and science). Higher education is one relevant actor in this process of transformation, where teaching and learning must leave the wall of the ivory tower and enter professional and social practices (“transformative turn”, Wildt 2022, 201–2)“ Isa Jahnke and Johannes Wildt: Learning in Transformation. In: Thorsten Philipp, Tobias Schmohl (eds.) Handbook Transdisciplinary Learning 2023, S.226f.

Diese Sichtweise unterstreicht die Notwendigkeit, dass Hochschulen und Universitäten eine aktive Rolle in gesellschaftlichen Transformationsprozessen übernehmen. In der Lehrveranstaltung „Nachhaltigkeit und Transformation“ an der FH Aachen wird diese Idee durch den direkten Praxisbezug und die interdisziplinäre Zusammenarbeit verwirklicht. Studierende lernen, wissenschaftliche Erkenntnisse nicht nur theoretisch zu erfassen, sondern sie auch in realen Projekten anzuwenden.

Isa Jahnke und Johannes Wildt betonen weiter: „Hence, transformative learning involves a shift in learning that goes beyond the traditional classroom setting, and involves engaging with real-world problems, perspectives, actions, and interests outside of the university. This type of change is facilitated by actors beyond the university who challenge students to move away from passive learning and instead immerse themselves in authentic experiences that foster deeper understanding and growth“ ebda. S. 227.

Die Lehrveranstaltung „Nachhaltigkeit und Transformation als Herausforderung und Chance für die Gesellschaft“ an der FH Aachen ist somit nicht nur ein Beispiel für transdisziplinäre Lehre, sondern auch ein wichtiger Baustein in der Ausbildung von Studierenden, die aktiv und verantwortungsvoll zur Lösung globaler Herausforderungen beitragen möchten.

Quellen:

Isa Jahnke and Johannes Wildt: Learning in Transformation. In: Thorsten Philipp, Tobias Schmohl (eds.) Handbook Transdisciplinary Learning 2023.

Link zum Leonardo Projekt der RWTH Aachen

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Laura Heine
Wiss. Mitarbeiterin | Beiträge

Studierte Medienwissenschaftlerin (MA) und Digital Learning Managerin. Mitglied des Arbeitsbereichs E-Learning im ZHQ.

Martin Pieper
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