Am 28. und 29. August 2023 fand an der Ruhr-Universität Bochum die zweite Learning AID statt, eine im Wesentlichen durch das Projekt KI:edu.nrw getragene Tagung, die sich mit den Themen Learning Analytics und Künstliche Intelligenz (KI) in der Hochschulbildung beschäftigte. Die Learning AID bot die Gelegenheit zum Austausch und zur Vernetzung zwischen verschiedenen Fachrichtungen und Hochschulbereichen.
Learning Analytics in der Hochschulbildung
Mit dem immer weiter verbreiteten Einsatz von Lernmanagementsystemen (LMS) in der Lehre besteht grundsätzlich die Möglichkeit Klicks, Verweildauern oder Verhaltensmuster von Studierenden zu speichern und zu analysieren. Sowohl den Studierenden als auch den Lehrenden könnten in der Theorie so automatisiert wichtige Informationen zum eigenen Lernfortschritt beziehungsweise dem Fortschritt des Kurses gegeben werden. Trotzdem hat das Thema noch keine breite Anwendung an den Hochschulen gefunden, was sich auch daran zeigt, dass viele Teilnehmer:innen auf der Tagung (uns eingeschlossen) noch wenig bis keine praktische Erfahrungen mit dem Einsatz von Learning Analytics gemacht haben. Gerade vor diesem Hintergrund waren die angebotenen praktischen Workshops, in denen reale Daten betrachtet und deren Anwendungsmöglichkeiten diskutiert wurden, besonders wertvoll.
Einigkeit herrschte darüber, dass selbst mit einer flächendeckenden Nutzung von LMS die Anwendungsmöglichkeiten von Learning Analytics in den Lehrveranstaltungen begrenzt sind. Die Daten, die aus LMS gewonnen werden, sind oft zu unpräzise, um wirklich hilfreiches Feedback an Studierende oder Lehrende zu liefern. Beispielsweise sagt das bloße Anzeigen einer Datei am Bildschirm nichts über die Intensität der Auseinandersetzung mit dem Inhalt aus. Ein weiteres Problem ist, dass nicht alle Lernaktivitäten im LMS stattfinden. Daher können nicht alle Lernprozesse erfasst werden. Zudem unterscheiden sich Parameter, die das Engagement in der Lernveranstaltung und den Lernerfolg messen, erheblich zwischen verschiedenen Lehrveranstaltungen. Dies erschwert die Entwicklung allgemeiner Lösungen für alle Lehrveranstaltungen.
Eine andere Anwendung von Learning Analytics, die auf der Learning AID diskutiert wurde, ist der Einsatz auf Studiengangsebene. Die RWTH Aachen stellte hierzu das Projekt BuddyAnalytics vor. Hier können unter anderem ECTS-, Anmelde-/Prüfungsdaten genutzt werden, um Erkenntnisse zur Weiterentwicklung von Studiengängen zu gewinnen und den Studierenden Feedback und Empfehlungen zu ihrem persönlichen Studienverlauf zu geben. Die größte Herausforderung besteht hier darin, die vielen sehr unterschiedlichen Datenquellen in eine gemeinsame maschinenlesbare Form zu bringen, um sinnvolle Analysen und Empfehlungen zu ermöglichen.
Neue Entwicklungen und Herausforderungen der KI in der Bildung
Prof. Dr. Kornelia Freitag (Prorektorin der RUB) eröffnete die Learning AID mit ihrem Vortrag, warum der viel zitierte Zauberlehrling als Metapher für KI nur bedingt taugt. Anders als beim Zauberlehrling wird bei der KI nicht der große Meister kommen, um die Geister wieder zu stoppen. Ursprüngliche Ideen eines Verbots von Large Language Models (LLMs), wie sie im letzten Jahr häufig diskutiert wurden, sind weitgehend vom Tisch. Ein erstes Rechtsgutachten der RUB im Auftrag des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft NRW schafft erste Rahmenbedingungen für die Nutzung (Link zum Gutachten). Nun wird nach konstruktiven Lösungen gesucht, die immer auch den Kompetenzaufbau von Lehrenden und Lernenden im Umgang mit KI beinhalten. KI wird als große Hoffnung für individualisierte Lehre gesehen, die angesichts großer Studierendengruppen und fehlender Stellen sonst nicht stattfinden kann. Ob dies Realität wird oder ein Hype bleibt, wird sich zeigen. Viele Fragen sind noch zu klären:
- Insbesondere ethische Aspekte stellen eine große Hürde für den Einsatz von KI dar. Fragen der Datensammlung, der Datenverarbeitung, des Einflusses von Unternehmen auf die Produkte und der Fairness bei der Nutzung werden diskutiert. KI:edu.nrw wurde erfreulicherweise um 3 Jahre verlängert, um diese Fragen zu klären. Im nächsten Jahr wird ein Sammelband zur ersten Förderphase erscheinen.
- Bei den LLMs werden derzeit die Mindestanforderungen ausgehandelt. Es wird angestrebt, in den Hochschulen verstärkt auf offene Sprachmodelle wie Bloom oder GPT-J zu setzen, um den Aufwand überprüfbar zu machen und die Anpassbarkeit zu erleichtern. Datenschutz, Sicherheitslücken und Regulierung sind wichtige Aspekte.
- LLMs sind auch sehr energiehungrig, so dass sich die Frage stellt, ob Hochschulen nicht energiesparenderen Systemen den Vorzug geben sollten.
Auch fast ein Jahr nach der Einführung von ChatGPT gibt es nur wenige Regeln und Empfehlungen, wie mit den neuen Entwicklungen umzugehen ist. Die Angst vor vermehrten Täuschungen oder sinnlosen Prüfungen schwindet, während ethische und didaktische Bedenken wachsen. Wie können alle Studierenden gleichermaßen an der Welt der KI teilhaben? Wie bereitet man sie auf eine Welt vor, in der KI in Sekundenschnelle und ohne Hilfe sinnvolle Texte und realistisch wirkende Bilder erzeugen kann?
Wie in der praktischen Anwendung von Learning Analytics bleiben auch hier viele Fragen noch unbeantwortet, während sich die Welt immer schneller digitalisiert und verändert. Lehrende sind daher aufgerufen, neue Werkzeuge in den Unterricht zu integrieren und deren Einsatz zu dokumentieren, um die Akzeptanz und den Nutzen für die Studierenden zu evaluieren. In beiden Bereichen dürfen wir gespannt sein, welche Entwicklungen und praktischen Anwendungsmöglichkeiten die Zukunft bringen wird. Vielleicht gibt es auf der nächsten Learning AID am 2. und 3. September 2024 bereits wieder neue Entwicklungen zu diskutieren.